Wald im Indian SummerWald im Indian Summer

Im Herbst fangen die Wälder an der Ostküste Kanadas und Nordamerikas an zu leuchten. Während des Indian Summer verwandeln Laubbäume die Landschaft in ein Farbenmeer. Vom Wasser aus, mit einer Kreuzfahrt  von Montreal nach Boston, lässt sich das facettenreiche Schauspiel am schönsten erleben.

Die Nacht war kühl und an diesem frühen Morgen bedecken feine Tautropfen die Reling. Am nahen Ufer schwebt noch Morgennebel über den Wiesen und die Wälder dampfen genauso wie der Kaffee aus dem Becher auf dem Außendeck der Superyacht “Le Boreal”, die langsam den St. Lorenz-Strom hinab gleitet. Aus dem Bordlautsprecher klingt die sonore Stimme des Kapitäns: “Heute werden es 22 Grad, ein herrlicher Tag.” Perfekt, denn Frostnächte und warme Tage sind Voraussetzung für den Indian Summer, die Verwandlung der  Laub- und Mischwälder von Mitte September bis Ende Oktober.

Einzigartige Farbenspiele während des Indian Summer
Einzigartige Farbenspiele während des Indian Summer

Kalte Polarluft, von warmen Luftmassen am Weiterkommen gehindert, heizt sich auf. Die Bäume bekommen Frühlingsgefühle und nehmen die fast schon eingestellte Zuckerproduktion wieder auf. Dadurch wird in den Blättern das grüne Chlorophyll abgebaut, zurück bleiben gelblich bis rote Carotinoide und der Farbstoff Anthocyan, der für kräftiges Rot sorgt. Diese Wetterkonstellation kommt nicht in jedem Jahr vor, aber heute zeigt die geradezu furiose Verfärbung des Laubs ein Farbspektrum, wie es nirgendwo sonst zu finden ist. Das Land glüht in den knalligsten und tiefsten Tönen, die Natur ist im Rauschzustand.

Die Wälder scheinen zu glühen
Die Wälder scheinen zu glühen

Angefangen hatte es ganz behutsam. In Montreal, dem Starthafen der Reise, beeindruckten der mächtige Olympiaturm und die für die Bewohner umgebauten Sportstätten sowie der alte Stadtkern mit den viktorianischen Häusern sehr viel mehr als die vereinzelten Farbtupfer der Bäume am Straßenrand. In Quebec dominierten die über der Stadt thronende, imposante Festung Chateau Frontenac und die geschichtsträchtige untere Stadt mit dem frankophilen Flair vieler Cafés, den  engen Gassen., dem jahrhundertealten Kopfsteinpflaster und den für die Besiedlungshistorie Kanadas wichtigen Sehenswürdigkeiten das Bild.

 

Das Château Frontenac in Quebec
Das Château Frontenac in Quebec

Doch bereits kurz hinter Quebec regiert nur noch die Natur: seien es die spektakulären Montmorency Falls, eineinhalbmal höher als die viel bekannteren Niagara-Fälle, mit ihren imposanten, herabstürzenden Wassermassen oder das nächste Ziel, der Saguenay-Fjord. Mehr als 100 Kilometer zieht sich der Seitenarm des St.Lorenz-Stroms hin, ideal für eine kurze Kajaktour mitten durch die hier schon in der gesamten Farbpalette des  Indian Summer entflammten Wälder. Der Fjord ist als Nationalpark auch Schutzgebiet für Beluga- und andere Walarten. Da Ponant als Marktführer in der Antarktis sich auch als Expeditionsreederei versteht, sind die „Le Boreal“ und ihre beiden Schwesterschiffe mit jeweils zehn Zodiacs ausgestattet. Vor Tadoussac an der Mündung des Fjords, wo die älteste Kirche Kanadas steht, noch ganz aus Holz gebaut, geht es von der Marina des Schiffs aus in rasanter Fahrt hinaus auf den Strom. Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich zwei Minkwale auf – und sind ebenso schnell wieder verschwunden. Auf einmal sind mehrere Tiere rund um die Zodiacs, blasen Wasserfontänen in die Luft und schwimmen minutenlang nebenher, mal über, mal unter der Wasseroberfläche.

Siedlung aus dem 18. Jahrhundert in Tadoussac
Siedlung aus dem 18. Jahrhundert in Tadoussac

Die Begeisterung der Passagiere ist grenzenlos, beim abendlichen Kapitänsdinner gibt es kaum ein anderes Thema und das, obwohl heute mit einem französischen Nationalhelden diniert wird: Commandant Patrick Marchesseau. Bei der Entführung der Segelyacht „Le Ponant“, die auch heute noch zur Reederei gehört, wurden Passagiere und Besatzung von somalischen Piraten als Geiseln genommen.  Durch sein umsichtiges Verhalten brachte Marchesseau die Angelegenheit ohne Blutvergießen zu Ende und erhielt dafür den höchsten Orden Frankreichs. Trotzdem ist Marchesseau alles andere als unnahbar, sondern ein netter, unterhaltsamer Zeitgenosse, wie überhaupt Stimmung und Umgang an Bord nahezu familiär sind. Das tröstet schnell über die leichten Servicemankos hinweg und überhaupt: wer will schon korrekt, aber steif und aufgesetzt bedient werden, wenn man fröhlich-freundliche Kellner mit natürlichem Lächeln und warmer Herzlichkeit haben kann?

Kapitän Marchesseau von Ponant, Volksheld wegen der Befreiung aus Piratengewalt
Kapitän Marchesseau von Ponant, Volksheld wegen der Befreiung aus Piratengewalt

Locker ist auch der Umgang mit einem Besuch auf der Kommandobrücke: während bei anderen Reedereien dafür entweder Geld verlangt oder das Ansinnen mit Sicherheitsgründen gleich abgelehnt wird, dürfen bei Ponant in der Regel Passagiere sofort hinein und als wieder einmal eine Walfamilie fast vor dem Bug auftaucht, bittet der Commandant interessierte Gäste sogar, auf die Brücke zu kommen.

Ausstattung und Design der 142 Meter langen „Le Boreal“ sind sowieso über jeden Zweifel erhaben, es gibt kaum eine Reederei, die ihre Schiffe so stimmig durchgestylt hat. Ponant verfolgt ein Lifestyle-Konzept, quasi Apple auf dem Wasser, und das merkt man auf Schritt und Tritt, von den öffentlichen Räumen bis zu den exklusiv ausgestatteten 132 Kabinen, 95 Prozent davon mit eigenem Balkon. Alles sehr durchdacht, bis hin zu den separaten, vom Badezimmer getrennten Toiletten, und den drei Steckdosenvarianten, so das man den Adapter zuhause lassen kann.

Design und Stil zeichnen die Le Boreal aus
Design und Stil zeichnen die Le Boreal aus

Grandiose Naturschauspiele bieten auch die nächsten Ziele: Havre Saint Pierre mit dem Mingan-Archipelago, ein Ensemble von mehr als dreißig Inselchen mit bizarren, im Laufe der Jahrmillionen entstandenen  Kalksteinformationen, in denen Tausende Seevögel brüten.  Und der kleine Hafen Perce mit seinem Wahrzeichen, dem hoch in der Bucht aus dem Wasser ragenden Roche Perce mit der weltweit größten Tölpelkolonie. Mehr als 250.000 Vögel sollen den Felsen bevölkern, vom Lärmpegel her scheint die Zahl zu stimmen.

Das Chateau Saint Louis war wichtigster französischer Militärstützpunkt

Der nächste Landgang führt direkt zurück ins 18. Jahrhundert: Louisburg in Nova Scotia, bildete mit der Festung Chateau Saint Louis den wichtigsten französischen Militärstützpunkt in der Neuen Welt. Von den Briten 1758 bis auf die Grundmauern geschliffen, wurde das Städtchen 1961 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom kanadischen Staat originalgetreu wieder aufgebaut und ist heute eine große Touristenattraktion. Soldaten in historischen Kostümen paradieren mit Musketen, Bauern bieten ihre Ware feil, Mägde walken Wäsche auf der Straße, Seemänner singen in Tavernen – und die Fotoapparate der Besucher klicken im Sekundentakt. Sehr viel beschaulicher geht es glücklicherweise in dem von deutschen Auswanderern gegründeten nächstem Hafen Lunenburg zu. Dabei wurde der  gesamte Ort mit seinen hübschen bunten Holzhäusern und der alten Holzkirche zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Gemütliche Cafés mit großen Veranden und viele kleine Handwerkerläden laden zum Verweilen ein. Vor Bar Harbor, dem ersten Hafen  auf US-amerikanischer Seite, liegen dagegen gleich drei große Kreuzfahrtschiffe. Tausende Touristen schlendern durch den kleinen Ort und wollen sehen, wo und warum bereits die Rockefellers und Astors hier Urlaub machten – allerdings war dies damals ein verschlafenes Fischerörtchen und der berühmte Maine-Hummer, der hier in jedem Restaurant serviert wird, nicht nur für Superreiche ein delikates Schnäppchen.

Im Zielhafen Boston beeindrucken die Sehenswürdigkeiten zur Nationalgeschichte der USA, wie der vier Kilometer lange Freedom Trail mit dem Old State House, von dessen Balkon John Adams 1776 die Unabhängigkeitserklärung verkündete, Faneuil Hall, Stätte großer Redner wie Samuel Adams, dem Organisator der Boston Tea Party, oder der ältesten noch existierenden Schule der USA, der Latin School von 1635, die auch Benjamin Franklin besuchte. Aber das zu den kulturell reichsten und wohlhabendsten Metropolen zählende Boston bleibt doch eine amerikanische Großstadt mit riesigen Neonreklamen, Wolkenkratzern und den unvermeidlichen Verkehrsstaus zur Rush hour.

Die Farbpalette des Indian Summer scheint unendlich
Die Farbpalette des Indian Summer scheint unendlich

Und so werden wehmütige Erinnerungen an die Kajaktour im Saguenay-Fjord wach: an den Farbteppich der Wälder, der sich im Wasser spiegelte, fluoreszierendes Gelb, zitronenfarben bis  goldorange leuchtend, von Karminrot bis ins fast bläuliche Purpur reichende Tupfer. Dazwischen flammendes Scharlachrot, als hätte ein Riese Fackeln in die Berge gesteckt, und das Grün der Nadelbäume wirkte dagegen so beruhigend, als ob es verhindere, dass die Flammen auf den gesamten Wald übergreifen. Der Indian Summer ist die Zeit, in der nicht der Mensch inszeniert, sondern die Natur noch Raum für ihren großen Auftritt hat: wo der Himmlische Jäger auf den Großen Bären trifft und ihn erlegt, so dass das Blut aus dessen Wunden den Wald tränkt und ihm seine tiefrote Farbe verleiht. So erklärten sich die Indianer die herbstliche Metamorphose ihrer Wälder und diese Legende passt viel besser zu dem magischen Spektakel als alles, was Meteorologen oder Chemiker dazu zu sagen haben.

Weitere Informationen unter www.ponant.com,

Zu Kanada unter http://www.canadainternational.gc.ca/germany-allemagne/about-a_propos/discover-decouvrez.aspx?lang=deu

Zu Maine unter https://visitmaine.com/

und zu Neuengland und Boston unter http://www.neuenglandusa.de/

 

Von Ingo