Buchkritik / Rezension "Der Taucher", Mathijs Deen, Mare Verlag. Kluger, anspruchsvoller Krimi mit einem speziellen KommissarBuchkritik / Rezension "Der Taucher", Mathijs Deen, Mare Verlag. Kluger, anspruchsvoller Krimi mit einem speziellen Kommissar

„Der Taucher“ ist der zweite Fall des eigenwilligen Kommissars Liewe Cupido, mit dem Autor Mathijs Deen eine ungewöhnliche, knorrige und großartige Ermittlerfigur geschaffen hat. Nach dem ersten Buch „Der Holländer“, dessen Titel sich an den Spitznamen des eigenwilligen Ermittlers anlehnt und welches überwiegend auf Borkum, im deutsch-niederländischen Watt sowie auf dem Festland spielte, geht es in diesem Buch nach Amrum, Föhr und Wilhelmshaven. Auch in diesem zweiten Buch wird das Meer wieder zur Mordwaffe, wobei sich die Geschichte um Familiendramen, Grabräuber und Militärkameradschaften bzw. Neonazis dreht. Vorkenntnisse aus dem ersten Band sind nicht erforderlich, einige Personen kommen auch in diesem Band vor, werden aber ausreichend beschrieben.

Ein niederländisches Bergungsschiff entdeckt, bei der Suche nach untergegangenen Containern, zufällig ein verschollenes Wrack aus den 1950er-Jahren. Dessen Ladung ist Kupfer im Wert von einer Million Euro und gerne würde die Mannschaft diese illegal bergen. Doch die Crew des Bergungsschiffes entdeckt auch einen toten Taucher, der mit Handschellen an das Wrack gekettet ist – den Handschellenschlüssel zwar vor Augen, aber außerhalb der Griffweite. Die alarmierte deutsche Bundespolizei setzt Kommissar Liewe Cupido auf den Fall an, der durch seine niederländischen Wurzeln erste Ermittlungen in Terschelling bei der Crew des Bergungsschiffes durchführt, dessen Kapitän auch Leiter eines Tauchclub ist. Der Ermordete war leidenschaftlicher Wracktaucher und lebte auf Föhr. Seine von ihm getrennt Frau wohnt in Wilhelmshaven zusammen mit den beiden Söhnen, von denen der Ältere einen Schulkameraden so schwer verprügelte, dass dieser seitdem in einem Rehazentrum liegt. Nur das Alibi seines ermordeten Vaters schützte ihn bislang vor einem Gerichtsverfahren.

Es geht nicht nur um Mord, Autor Mathijs Deen hat noch einen weiteren, starken Erzählstrang eingeflochten. Zentrale Themen sind dabei die Fragen, was ein Vater für seinen Sohn oder ein Sohn für seinen Vater tun würde. So erforscht Liewe Cupido die Beziehungen der beteiligten Familien unter- sowie zueinander und konzentriert sich auf das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen. Diese versuchen sich gegenseitig zu helfen, scheitern aber an ihrer eigenen Hilflosigkeit. Dieses Gefühl kennt Cupido bestens, denn auch er hadert mit dem Verhältnis zu seinem Vater und vor allem dessen Tod, als er noch jung war. Entlang all dieser Handlungsstränge hat der Autor hat einen feinen roten Faden gesponnen, an dem sich der Leser entlang hangelt. Dabei ist er den Ermittlern in der Entwicklung des Falles teilweise bereits einen Schritt voraus, aber der Spannungsbogen bleibt durch geschickt gesetzte Wendungen bis zum Schluss erhalten.

Herausragend ist dem Autor die Ausgestaltung seiner Hauptfigur gelungen: Liewe Cupido, der am liebsten allein und in seinem Tempo die Dinge angeht. Im ersten Band erfuhr der Leser nur sehr wenig aus dem Privatleben des stillen und unnahbaren Ermittlers. Das ändert sich im zweiten Buch, Cupido wird etwas zugänglicher dargestellt. Neben einem Hund, der ihm zugelaufen ist und den er nur ungern von seiner Seite lässt, deutet sich eine erste zarte Romanze an.

Dieser Krimi ist klug konstruiert, mit eigenwilligen, sehr individuellen Charakteren und glänzt durch die eigenwillige Erzählweise und die Sprache des Autors. Die ruhige, fast kühle und schnörkellose Art des Erzählens passt optimal zur ganzen Geschichte, den geschilderten Landschaften, der Nordsee, den Stimmungen und den nordischen Charakteren. Mathijs Deen hat einen ganz eigenen Schreibstil mit vielen kleinen, versteckten Details und kann Wetterbedingungen, Klima und die See so beschreiben, dass man das Meer vor sich sieht und bei der Lektüre zu riechen meint. Das passt ausgezeichnet zum herausgebenden mare Verlag und seinem einzigartigen Magazin. Prima ist auch die sehr gute Ausstattung des Buches, liebevoll mit Lesebändchen und eine richtig gute Idee ist es, die Innenseite des Schutzumschlags zu nutzen, um eine Karte des Wattenmeeres von Dänemark bis ins niederländische Den Helder inklusive des Windparks Amrum Westbank, des Offshore-Windparks Riffgat und der Untergangsstelle der „Hanne“ abzubilden. So kann der Leser alle Schauplätze des Handlungsgeschehens genau verorten.

Ein kluger, anspruchsvoller Krimi mit einem speziellen, aber hochinteressanten Kommissar.

Der Taucher

Mathijs Deen

Mare Verlag

Gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 320 Seiten, 22 Euro

ISBN: 978-3-86648-701-7

Weitere Informationen unter https://www.mare.de/buecher/der-taucher-8701

Von Ingo