Buchkritik / Rezension "Heute so schön wie damals", Kunth Verlag. Herausragender Band, tolle Lektüre, perfektes Geschenk für Weltenbummler.Buchkritik / Rezension "Heute so schön wie damals", Kunth Verlag. Herausragender Band, tolle Lektüre, perfektes Geschenk für Weltenbummler.

Im mehr als 1,3 kg schwerne Reisebildband „Heute so schön wie Damals“ aus dem Kunth Verlag werden legendäre Urlaubsorte in ganz Europa besucht. Dabei wird die teilweise sehr lange Tourismushistorie vorgestellt und nachgeschaut, was aus der guten alten Zeit auch heute noch zu finden ist. Wunderbare Geschichten und Anekdoten ranken sich um die Orte, wo einst die High Society feierte und flanierte. Dazu kommen die großartigen historischen Fotos, die den Leser schnell in die glamouröse und mondäne Atmosphäre der Reichen, Berühmten und Schönen der 1950-er/60-er Jahre versetzen, als Massentourismus noch unbekannt und Urlaub im Ausland für Normalsterbliche meist ein unbezahlbares Unterfangen war. Jahrhundertealte Fischerdörfer wie Marbella oder St. Tropez wurden nach der Entdeckung durch die Superreichen schnell zu Lieblingstummelplätzen des aufkommenden Jetsets. Aristoteles Onassis entdeckte Ende der 1950-er Jahre das damals noch verschlafene Mykonos und feierte rauschende Feste mit Maria Callas, Winston Churchill, Grace Kelly, Marlon Brando und später Jackie Kennedy. In Portofino machten Liz Taylor und Richard Burton im Belmond Hotel auch wegen ihrer regelmäßigen lautstarken Auseinandersetzungen Schlagzeilen, Sophia Loren war dort auch regelmäßig zu Gast. Brigitte Bardot war das Aushängeschild von St. Tropez, drehte dort „Ewig lockt das Weib“ und ging mit der Filmcrew regelmäßig im Strandlokal Club 55 mittags essen, das auch heute noch besucht werden kann (www.club55.fr). So fühlt der Leser sich nicht nur durch die Bilder wie in Ausschnitte aus Filmen der fünfziger und sechziger Jahre versetzt.

Die Winter verbrachte der Geldadel in Gstaad, Zermatt, Davos, St. Moritz oder Kitzbühel, die bekanntesten deutschen Vertreter wie Gunter Sachs oder Krupp-Erbe Arnd von Bohlen und Halbach tummelten sich zur Sommerfrische neben der französischen Mittelmeerküste oder Ibiza auch gern im eigenen Land und machten Sylt zum Promi-Hotspot. Auf der heute nicht nur bei Reichen beliebten Nordsee-Insel startete 1979 Herbert Seckler seine Karriere und baute einen Kiosk am FKK-Strand zur heutigen Gourmet- und Kultadresse mit eigener Produktlinie aus – die „Sansibar“. Bereits 1890 herrschte auf Norderney reges Strandtreiben, Heinrich Hesse war Stammgast. Doch kein Ort dürfte eine längere Touristentradition haben als Capri: Die weltberühmte „Blaue Grotte“ diente schon dem römischen Kaiser Tiberius als privates Schwimmbad.

Überhaupt, Italien, das Sehnsuchtsland Nachkriegsdeutschlands, spätestens seit Anfang der 1960-er schaute man neidisch auf das tatsächliche und vermeintliche Dolce Vita an der Amalfiküste, in San Remo, Florenz oder Rom. Rimini mit seinen Stränden war einst der deutsche Inbegriff dieses Lebensgefühls, solange bis in den 1970-er Jahren der kleine Badeort erneut zum Einfallstor der Germanen wurde, Jahrhunderte nach dem die Goten das römische Reich erobert und ihrem Anführer Theoderich ein monumentales Mausoleum dort errichtet hatten, das heute noch besichtigt werden kann.

Insgesamt werden 95 europäische Orte vorgestellt, neben den weltberühmten auch einige unbekanntere vom norwegische Kragero, wo Maler Edvard Munch mit der Staffelei in den Felsen sitzend regelmäßig seinen Urlaub verbrachte, über das walisische Llandudno mit historischem Pier und acht Kilometer langer Panoramastraße mit herrlichem Blick auf die Küstenlandschaft, bis hin zu osteuropäischen Preziosen wie Sopot, Seebad von Danzig, oder dem lettischen Jürmela mit seinem 32 km langen Sandstrand.  Jeder Ort wird auf bis zu zwei Doppelseiten beschrieben, mit unzähligen Werbeplakaten, Postkarten und Fotografien von damals, ergänzt durch kleine Notizen, die in Rubriken wie „Das gibt’s heute noch“, „Heute so gut wie damals” „Retro-Moment” und „Souvenir, Souvenir” eingeteilt sind. Notizzettel zeigen welche Filme dort gedreht wurden oder welche Berühmtheiten den Ort liebten, dort wohnten oder überhaupt erst berühmt machten. So entsteht in „Heute so schön wie Damals“ eine wunderbare Gedanken-Reise quer durch Europa, die längst Vergessenes hervorholt und bei älteren Semestern Urlaubserinnerungen aus der Kindheit aufblitzen lassen. Auch wenn es schwerfällt zu glauben, dass man auch heute noch an nicht nur zur Hochsaison völlig überfüllten Orten wie Santorin oder Venedig, das um den Tagestourismus zu stoppen ab 2023 eine Eintrittsgebühr erhebt, tatsächlich noch Retro-Momente erleben kann, jetzt können Nostalgiker mit diesem Reisebuch zumindest die Vergangenheit wieder aufleben lassen. Nicht nur für sie, sondern für alle Reisefans ist dieser herausragende Band damit eine tolle Lektüre und ein perfektes Geschenk für andere Weltenbummler. Eine besonders schöne Idee hatten die Macher auch für die passende Atmosphäre beim Schmökern: Wer möchte, kann auch seinen Ohren eine Retro-Reise gönnen und sich den passenden Soundtrack zum Buch mit den Schlagern und Melodien vergangener Zeiten bei spotify herunterladen.

Heute so schön wie damals

Stefanie Schuhmacher (Hrsg.)

Kunth Verlag

Gebunden, 360 Seiten, mit vielen, auch historischen Bildern, 29,95 Euro

ISBN: 978-3-969 650 691

Weitere Informationen unter https://www.kunth-verlag.de/bildband/werk/bildband-heute-so-schoen-wie-damals-legendaere-urlaubsorte-in-europa/9783969650691

Von Ingo