Rezension Buch Was Fische wisen von Jonathan Balcombe:Das Buch bietet einen ausführlichen Rundumblick über Verhalten, Sinne sowie das Leben von Fischen und stützt sich dabei auf viele Fachartikel.Das Buch bietet einen ausführlichen Rundumblick über Verhalten, Sinne sowie das Leben von Fischen und stützt sich dabei auf viele Fachartikel.

Der Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe, der sich mit dem Empfindungsvermögen von Tieren befasst, hat mit seinem Buch „Was Fische wissen“ einen erstaunlichen Band vorgelegt. Bis auf Angler, Aquarienfreunde sowie Schnorchler und Taucher lassen Fische die meisten Menschen kalt – es sei denn sie landen auf dem Teller. Aber bei der Lektüre zeigt sich: Fische sind völlig unterschätzte Wesen. Dabei sind die Flossenträger uns Menschen nicht unähnlich, sie sind strategisch und sozial, pflegen aufwendige Balzrituale und lebenslange Beziehungen, können einander täuschen oder bestrafen. Das von Wissenschaftlern untersuchte Verhalten verschiedener Fischarten deutet darauf hin, dass die Tiere planen, einander erkennen, miteinander kooperieren und räumliche Zusammenhänge erstellen können.

Balcombe nimmt seine Leser mit auf eine Unterwasser-Reise rund um den Globus und gibt mit verblüffenden Fakten ungeahnte Einblicke in das Leben und die Fähigkeiten von Fischen: sie müssen sich in einem komplexen, dreidimensionalen Lebensraum mit besonderen Anforderungen zurechtfinden. Dafür brauchen sie geschärfte Sinne, um nicht zu verhungern oder zum Opfer zu werden. Auch um sich zu paaren, müssen sie in meist riesigen Arealen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Legendär ist die meisterhafte Navigation von Lachsen, die auch nach Jahren im offenen Meer über tausende Kilometer zu ihrem Heimatfluss zurückfinden, um dort zu laichen. Geomagnetismus, Geruchssinn und auch optische Wahrnehmung – Lachse schaffen das durch die Kombination mehrerer Fähigkeiten – das beste natürliche GPS der Erde.

Auch andere erstaunliche Arten und Phänomene sind anschaulich beschrieben: Um miteinander zu kommunizieren erzeugen die meisten Fische Geräusche mit vibrierender Schwimmblase, den Zähnen oder den Gräten. Bekannt sind die Walgesänge, aber es gibt auch pupsende Heringe, grunzende Grundeln, die aufsteigenden Tonleitern von Fledermausfischen oder Riesenzackenbarsche, die wie Nebelhörner klingen. Fische können aber auch auf elektrische Art kommunizieren, indem sie selbst schwache elektrische Felder und geringste Schwingungen wahrnehmen. Auch für die Jagd haben Fische faszinierende Fähigkeiten entwickelt:

Millimetergenau zielende Schützenfische, die ihre Beute mit Wasserstrahlen erlegen, oder afrikanische Süßwasserbarsche, die knapp über der Wasseroberfläche fliegende Vögel mit gezielten Sprüngen erhaschen. Der Ampelfisch, ein Tiefseebewohner, kann kräftige Lichtstrahlen aus zwei Leuchtorganen unter den Augen aussenden. Dieses Licht ist rot und kein anderer Tiefseefisch außer dem Sender kann dies erkennen, es fehlen die Stäbchen zum Farbensehen. Das birgt einen enormen Vorteil: so können diese Jäger der Tiefe ihre Lampen zum Aufspüren von Beute benutzen und bleiben selbst unsichtbar. Diese Art verfügt quasi über ein exklusives Nachtsichtgerät für die Tiefsee. Der Verhaltensbiologe kommt zu einem klaren Fazit: Jeder einzelne Fisch ist nicht nur ein Individuum, sondern hat einen eigenen Charakter, Bedürfnisse, Wünsche, Überzeugungen und eine eigene Biografie. Balcombe zeigt in dem Buch aber auch auf, wie sehr Fische und Fischpopulationen unter den Menschen leiden und wie sehr wir die Unterwasserwelt unserer Erde irreparabel schädigen.

Dabei erzählt und schreibt er verständlich, humorvoll, mitreißend und erzählt unterhaltsam auch zahlreiche Anekdoten, etwa über die Erlebnisse von Aquarienhaltern, die von ihren Fischen begrüßt oder gar zum Streicheln aufgefordert wurden oder die beobachteten, wie die Aquariumsbewohner sich gegenseitig halfen. Diese Geschichten dienen dazu, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu veranschaulichen und zu untermauern.

Das Buch bietet einen ausführlichen Rundumblick über Verhalten, Sinne sowie das Leben von Fischen und stützt sich dabei auf viele Fachartikel. Balcombe gelingt ein schwieriger Spagat: er erklärt die Arbeit der Forscher absolut eingängig und auch für Laien leicht nachvollziehbar ohne dass dabei wissenschaftliche Details und profunde Kenntnisse verloren gehen – populärwissenschaftliches Schreiben vom Feinsten. Eine klare Empfehlung für alle, die ihren Horizont erweitern und einen besonderen Einblick in die Welt der Fische bekommen möchten.

Was Fische wissen
Wie sie lieben, spielen, planen: unsere Verwandten unter Wasser
Jonathan Balcombe
mare Verlag, gebunden, 352 Seiten
28,00 Euro

ISBN 978-3866482838

Weitere Informationen unter https://www.mare.de/buecher

 

Von Ingo