Buchkritik/Rezension "Das offene Boot", Joseph Crane, mare Verlag. Begnadeter Schreiber und Pionier der nordamerikanischen Modernen LiteraturBuchkritik/Rezension "Das offene Boot", Joseph Crane, mare Verlag. Begnadeter Schreiber und Pionier der nordamerikanischen Modernen Literatur

„Das offene Boot und andere Erzählungen“ aus der Klassiker-Reihe des mare-Verlags vereint kurze Erzählungen des US-Autors Stephen Crane. Crane ist in Deutschland meist nur Literaturfreunden bekannt, gilt aber wegen seiner stilistischen Brillanz als Pionier der nordamerikanischen Modernen Literatur. Er übte nachhaltigen Einfluss auf spätere Autoren aus, für Ernest Hemingway war Crane Vorbild und Inspiration, auch Joseph Conrad oder Henry James verwiesen auf den gewaltigen Einfluss Cranes auf ihre Werke.

Dessen Gabe des Beobachtens und Beschreibens erinnert an Reportagen und tatsächlich arbeitete der 1871 geborene Crane zunächst als Journalist in New York bevor er 1897 Kriegsberichterstatter im Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei wurde und später über den Spanisch-Amerikanischen Krieg schrieb. Crane starb mit nur 28 Jahren während eines Europaaufenthaltes in einem deutschen Sanatorium an Tuberkulose, die er sich nach dem Untergang der Commodore zugezogen hatte, eine Erfahrung, deren literarische Verarbeitung seinen Ruhm als Erzähler begründete.

Die nachfolgenden Ereignisse – er trieb dreißig Stunden lang mit drei Überlebenden der Mannschaft in einem kleinen Rettungsboot auf offener See –, fügten seiner bereits angegriffenen Gesundheit weiteren Schaden zu. Die Darstellung dieser existenziellen Erfahrung des Schiffbruchs auf hoher See, die Erzählung „Das offene Boot“, die diesem Buch mit 15 Geschichten rund um das Meer den Titel gab, gilt als Meisterwerk der amerikanischen Literatur. Hier sind Stephen Cranes stärkste Erzählungen vereint, größtenteils zum ersten Mal auf Deutsch, darunter zwei posthum veröffentlichte Geschichten. Das Meer liefert den Hintergrund, vor dem Crane die Geschehnisse abgebildet hat, unter anderem die Atmosphäre eines Küstenorts am Ende der Saison oder Abschiedsszenen am Hafen. In „Reisende wider Willen” stellt der Autor auch seinen Sinn für Komik unter Beweis. Dabei schreibt Crane immer in einem realistischen Stil, der trotz Sachlichkeit und Präzision über eine immense Ausdrucksstärke in sehr bildhafter Sprache verfügt – meisterlich.

Ein Nachwort des Übersetzers Lucien Deprijck, bietet Einblick in Leben und Werk des Autors. Es ist dem mareverlag zu verdanken, dass diese Meereserzählungen Stephen Cranes in einem sehr schön ausgestatteten Band vorliegen. Wie alle Bücher der mare-Klassikerreihe kommt das Buch im Schuber, Leineneinband und Lesebändchen, das in Rot sehr gut mit dem gewählten Titelbild eines Segelschiffes in eleganten Grautönen kontrastiert.

Wer einen begnadeten Schreiber kleiner, ruhiger Geschichten kennenlernen möchte, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Das offene Boot

Joseph Crane

mare Verlag

Leineneinband mit Lesebändchen im Schuber, 240 Seiten, 26 Euro

ISBN: 978-3-86648-263-0

Weitere Informationen unter https://www.mare.de/buecher/das-offene-boot-und-andere-erzahlungen-8263

Von Ingo

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