Buchkritik/Rezension 175 Jahre Hapag-Lloyd, Kai-Axel Aanderud, Koehler Verlag, glänzend aufgearbeitet, mit vielen unveröffentlichten FotosBuchkritik/Rezension 175 Jahre Hapag-Lloyd, Kai-Axel Aanderud, Koehler Verlag, glänzend aufgearbeitet, mit vielen unveröffentlichten Fotos

Kai-Axel Aanderud beschreibt in dem Coffetablebook „175 Jahre Hapag-Lloyd“ die spannende Geschichte dieses Unternehmens von der Gründung 1847 bis zum Jubiläum 2022. Das 388 Seiten umfassende Werk befasst sich chronologisch mit der einzigartigen Historie, die prägende Rollen bei der Auswanderung in die Neue Welt, bei Kreuzfahrt, schnellen Passagierdampfern und großen Frachtschiffen bis hin zur Einführung von Containern und sogar beim Flugtransport von Millionen Urlaubern ab 1973 spielte. Aanderud bietet dem Leser dabei tiefe Einblicke in den Wandel der Reederei hin zum Global Player und blickt zum Ende mit Schifffahrtsexperten in die Zukunft der Branche.

Am 27. Mai 1847 gründeten die Hamburger Unternehmer Adolph Godeffroy, Ferdinand Laeisz, Carl Woermann sowie zwei Dutzend weitere Kaufleute und Reeder die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag). Gemeinsamer Zweck war, eine regelmäßige Verbindung von Hamburg nach Nordamerika mit Segelschiffen unter Hamburger Flagge aufzubauen. Untrennbar ist die spätere Entwicklung der Hapag mit einem Namen verbunden: Albert Ballin. Ballin wurde Chef der Passageabteilung bei Hapag, als er 29 Jahre alt war, nur zwei Jahre später saß er bereits im Vorstand. Elf Jahre danach wurde er Generaldirektor der Hapag. Ballin erfand für die stürmischen Wintermonate, in denen die Passagierschiffe nicht ausgelastet waren, die Kreuzfahrt. 1891 schickte er die „Auguste Victoria“ erstmals mit betuchten Reisenden zu Lustreisen ins Mittelmeer.

Mit dem Bau eigener Auswandererhallen, dem heutigen, sehr sehenswerten Museum Ballinstadt, schaffte es der charismatische, aber bescheidene Firmenpatriarch, Hamburg als Auswandererhafen eine immer größere Bedeutung zu verschaffen. Allein zwischen 1896 und 1913 wanderten 1,7 Millionen Menschen über die Hansestadt aus. Unter seiner Führung stieg das Aktienkapital der Firma von 15 Millionen Mark bei seinem Dienstantritt auf 157,5 Millionen Mark im Jahr 1914 – Hapag war kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den Ballin als persönlicher Freund des Kaisers vehement zu verhindern suchte, die größte Reederei der Welt. Immer im Wettbewerb mit US-amerikanischen und britischen Wettbewerbern und einem großen Rivalen aus dem eigenen Land: Mehr als ein Jahrhundert lang waren die Hapag und der zehn Jahre jüngere Norddeutsche Lloyd in Bremen erbitterte Wettbewerber. Zwei Weltkriege kosteten sie ihre Flotten, doch sie bauen sie wieder auf, größer und effizienter als zuvor. Als Ende der 1960er der Container seinen globalen Siegeszug antritt und Reedereien und Seestädte zu stetig höheren Investitionen in Flotten und Häfen zwingt, setzt sich in Hamburg und Bremen die Erkenntnis durch, Kräfte im globalen Wettbewerb besser zu bündeln und zu fusionieren. Heute zählt die 1970 gegründete Hapag Lloyd AG mit einer Flotte von 250 Containerschiffen, einem jährlichen Transportvolumen von zwölf Millionen TEU und mehr als 13.000 Mitarbeitern in 129 Ländern zu den weltweit führenden Linienreedereien.

Aber das Buch stellt nicht nur Glanz und Gloria heraus, sondern verschweigt auch Katastrophen wie dramatische Schiffsverluste nicht. Denn schwer lastete auf der Reederei, dass am 12. Dezember 1978 der Frachter „München“ auf seiner 62. Fahrt von Bremerhaven nach Savannah in einem Orkan vor den Azoren spurlos verschwand. Den Namen „München“ hat Hapag-Lloyd seitdem für kein Schiff mehr vergeben. Auch der dramatische Vorfall rund um den Piratenangriff auf das gecharterte 2824-TEU-Containerschiff „Mozart“ im Golf von Guinea im vergangenen Jahr wird thematisiert.

Das mit vielen Hochglanzbildern und Zeitdokumenten gestaltete Buch überzeugt dank der Bereitstellung von Archiv-Unterlagen der Reederei. Der Autor hat noch nie gezeigte Bilder aus den Archiven von Hapag Lloyd ausgegraben, die diesem Buch einen ganz besonderen Rang verleihen. Passend zur international aufgestellten Reederei ist die Publikation zweisprachig in Deutsch und Englisch verfasst.

Ein Stück Schifffahrtsgeschichte, glänzend aufgearbeitet, mit vielen bislang unveröffentlichten Fotos und Quellen. Nicht nur für Schiffs-, sondern auch für Geschichtsbegeisterte absolut empfehlenswert.

175 Jahre Hapag-Lloyd

Kai-Axel Aanderud

Koehler im Maximilian Verlag

Gebunden, mit Schutzumschlag, 388 Seiten, deutsch/englisch, 49,95 Euro

ISBN: 978-3782215008

Weitere Informationen unter https://koehler-mittler-shop.de/shop/koehler/neuheiten-koehler/hapag_lloyd_175_jahre_aanderud/

TIPP: Noch bis zum 18. September gibt es eine Sonderausstellung zu 175 Jahre Hapag-Lloyd im Internationalen Maritimen Museum (IMM) in Hamburgs HafenCity. Das IMM hat aus seinem Archiv teilweise noch nie öffentlich gezeigte Dokumente und Exponate zusammengestellt, um die Geschichte einer Hamburger Institution zu würdigen. Am Beispiel von Hapag-Lloyd wird die Historie der modernen Handelsschifffahrt deutlich, https://www.imm-hamburg.de/2022/05/175-jahre-hapag-lloyd-die-sonderausstellung/

Von Ingo