Buchkritik / Rezension "Reise einer Frau in die Arktis" Léonie d'Aunet, mare Verlag. Beschreibungen von Kultur, Fauna und Flora in Lappland und auf Spitzbergen, die beeindrucken und vor allem ein wertvolles Zeugnis der damaligen Naturvielfalt zeichnenBuchkritik / Rezension "Reise einer Frau in die Arktis" Léonie d'Aunet, mare Verlag. Beschreibungen von Kultur, Fauna und Flora in Lappland und auf Spitzbergen, die beeindrucken und vor allem ein wertvolles Zeugnis der damaligen Naturvielfalt zeichnen

Die Französin Léonie d’Aunet reiste 1839 mit 19 Jahren als erste Frau nach Spitzbergen, auf einer Forschungsreise mit einem Großsegler in die Arktis, als einzige Frau unter der sonst männlichen Besatzung. Die Reise führte sie auf Land- und Seeweg von Paris an die norwegische Küste und weiter nach Spitzbergen, wo sie den Zauber des ewigen Eises erlebte. Das im mare-Verlag in der Klassik-Reihe erschienene Buch beruht auf der Originalausgabe von 1854, erschienen im Pariser Verlag Hachette.

Die Autorin erzählt in Briefen von den Abschnitten ihrer Reise, von Paris nach Hamburg, von Hamburg nach Christiania usw. Insgesamt neun Briefe, darunter einer, der sich nur den Bewohnern Lapplands widmet und ihre Kultur sowie Bräuche beschreibt. Ab Hammerfest geht es dann über die Bäreninsel und den Magdalenenfjord zum Ziel Spitzbergen. Leonie d’Aunet ist eine gute Beobachterin und gibt in Beschreibungen ihre Eindrücke und Gedanken weiter. Das diese auf dem damaligen Kenntnistand beruhen und auch fehlerhafte Empfindungen enthalten wie die, dass die Samen kein Liedgut haben und nicht singen, macht das Buch sehr authentisch. Was für eine Strapaze das reisen in den hohen Norden bei bitterster Kälte gewesen sein muss, lässt sich im Zeitalter von Goretex und modernster Funktionskleidung kaum vorstellen. Die Reisende trifft immer wieder auf widrige Umstände und Schwierigkeiten: Gleich zu Beginn lässt ein falsch eingespanntes Pferd die Kutsche in Paris umkippen, vor Le Havre wurde sie bei stürmischem Wellengang durchgeschüttelt, der mehrere Schaufeln des Raddampfers beschädigte. In Amsterdam lief ihr Schiff auf eine Sandbank, in Trondheim herrschte so dichter Nebel, dass anlanden tagelang unmöglich war. Bei der Ausfahrt aus Hammerfest kam der Bugspriet wegen eines zu nah am Land ausgeführten Kurswechsels zu Schaden und bis Spitzbergen herrschte stürmisches Wetter.

Aber es sind nicht nur die spannenden Reiseschilderungen und -mühen, sondern vor allem die Beschreibungen von Kultur, Fauna und Flora in Lappland und auf Spitzbergen, die beeindrucken und vor allem ein wertvolles Zeugnis der damaligen Naturvielfalt sind. In einer Epoche, in der bis auf wenige Ausnahmen wie zuvor die Frankfurter Botanikerin Maria Sybilla Merian, die 1699 nach Surnam reiste, der Französin Jeanne Baret oder der Österreicherin Ida Pfeiffer, Frauen nach vorherrschender landläufiger Meinung an Heim und Herd gebunden sein sollten, war diese Reise d’Aunets geradezu revolutionär und ein Meilenstein. In ihrem Heimatland erschienen seit Veröffentlichung bis heute zahlreiche Ausgaben, trotzdem ist die Autorin vor allem als Muse von Victor Hugo in die Literaturgeschichte eingegangen. Dem mare-Verlag, der bei in Deutschland bislang unbekannteren Werken und Autoren ein bemerkenswert außergewöhnlich gutes Händchen hat, ist es zu verdanken, dass jetzt erstmals eine deutsche Ausgabe vorliegt. Das Buch zeichnet in ihren eigenen Worten zwischen den Zeilen aber vor allem das Portrait einer mutigen, stolzen, unabhängigen und starken Frau.

Reise einer Frau in die Arktis

Léonie d’Aunet

mare Verlag

Leineneinband im Schuber, fadengeheftet und mit Lesebändchen, 352 Seiten, 34 Euro

ISBN: 978-3-86648-687-4

Weitere Informationen unter https://www.mare.de/buecher/reise-einer-frau-in-die-arktis-687

Von Ingo

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