Buchkritik / Rezension "Boulevard der Helden", Michael Köhlmeier, Benevento Verlag. Großes Lesevergnügen von einem der besten deutschsprachigen ErzählerBuchkritik / Rezension "Boulevard der Helden", Michael Köhlmeier, Benevento Verlag. Großes Lesevergnügen von einem der besten deutschsprachigen Erzähler

Michael Köhlmeier stellt in “Boulevard der Helden” dreißig Menschen vor, Geschichten außergewöhnlicher Persönlichkeit, die ihn inspiriert haben. Faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Statt lexikonartiger Einträge mit Geburts- und Sterbedaten erinnert er anekdotenhaft an diese Persönlichkeiten und lässt sie anhand von Geschichten aus ihrem Leben lebendig werden. Sowohl berühmte Männer und Frauen stellt der Schriftsteller im Porträt vor und zeigt, was sie so außergewöhnlich gemacht hat. Michael Köhlmeier erzählt von Ikonen aus Kunst und Kultur sowie Legenden aus Musik, Sport, Wissenschaft und was sie ausmachte.

Die Auswahl berücksichtigt zahlreiche Themen, Sport mit Wilma Rudolph, der „schwarzen Gazelle“, die bei den Olympischen Spielen in Rom 1960 drei Goldmedaillen im Sprint gewann oder Abebe Bikila, den äthiopischen Marathonläufer, der barfuß zu Gold lief. Wissenschaft mit Alice Augusta Ball, der amerikanischen Chemikerin, die als erste eine Leprabehandlung entwickelte und bereits mit 25 Jahren verstarb oder der österreichischen Kernphysikerin Lise Meitner. Filmhelden wie Humphrey Bogart oder Marilyn Monroe, Mediziner Ignaz Semmelweis, Literaturnobelpreisträger Michail Scholochow oder Musikgenie Django Reinhardt bis hin zu Beate Uhse, eine der ersten Fliegerpilotinnen der Welt, die nach dem Weltkrieg mit ihrem Versand die Erotik in einer verklemmten Gesellschaft hoffähig machte. Einige Helden litten massiv unter Diskriminierung, wie das Doppelporträt von Ella Fitzgerald und Norman Granz überdeutlich macht. Obwohl die Sängerin Begeisterungsstürme im Orpheum Theatre in New York ausgelöst hatte, durfte sie dort dennoch nicht einmal auf die Toilette. Diese war – wie der ganze Konzertsaal– den Weißen vorbehalten und für Fitzgerald ein mobiler Abort im Hinterhof aufgebaut.

Eine bunte, subjektive, abwechslungsreiche Sammlung, hier findet sich der Musiker neben der Naturforscherin, der Schauspieler neben der Übersetzerin und die Spionin neben dem Mann, der eine eigene Schriftsprache für sein Volk entwarf. Nicht alle Namen sind weitläufig bekannt, welcher Leser wusste denn vor dieser Lektüre schon, wer Sequoyah oder Truganini waren? Auch das macht den Reiz dieser Sammlung aus.

Die Texte sind meist nur sieben Seiten lang, aber dennoch äußerst informativ. Besonders erwähnt werden muss die leichte Erzählweise Köhlmeiers, die die dreißig Lebensgeschichten zu einer unterhaltsamen Lektüre macht. Denn die Porträts sind kurzweilig geschrieben und angenehm zu lesen. Für diese Erzählkunst wurde Köhlmeier mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Johann-Peter-Hebel-Preis, dem Manès-Sperber-Preis, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, sowie zuletzt dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis für sein Gesamtwerk und dem Ferdinand-Berger-Preis für sein politisches Engagement.

Großes Lesevergnügen von einem der besten deutschsprachigen Erzähler, dazu ungemein informativ und unterhaltend.

Boulevard der Helden

Michael Köhlmeier

Benevento Verlag

Gebunden, 224 Seiten, 22 Euro

ISBN: ‎ 978-371 0901 669

Weitere Informationen unter https://www.beneventopublishing.com/benevento/produkt/boulevard-der-helden-2/

Von Ingo

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